Paraschat Bamidbar

Die Parascha in Kürze
  • G“tt gibt den Befehl, das Volk Israel zu zählen. Es gibt eine genaue Ordnung, wie jeder der 12 Stämme in der Wüste um den Mischkan herum wohnen soll. Jeder Stamm bekommt eine Flagge und so reisen sie auch von Ort zu Ort.
  • Die Leviten werden eingeteilt und werden mit der Verantwortung für den Mischkan betraut. Jeder hat seine Arbeit, sei es bei der Aufstellung und als auch beim Hüten des Mischkans.

„Midrash“ der Woche

Das Buch Bamidbar beginnt mit einer genauen Beschreibung der von G“tt befohlenen Volkszählung. Seit dem Auszug aus Ägypten fanden zwei Zählungen statt. Schon wieder, so fragen wir uns, wird das Volk gezählt? Was ist mit den anderen Völkern, die die Tora erwähnt, über deren Größe wir nichts oder nur wenig wissen?

Es ist ein Zeichen der großen Liebe G“ttes Seinem Volk gegenüber, dass Er es immer wieder zählt, erklärt Raschi nach einem Midrasch. Dieser bezieht sich auf einen Satz in Schir Haschirim (6:8-9), der besagt: „… 60 Königinnen sind es … aber Eine ist die Liebste …“ und illustriert G“ttes Liebe zu Israel verglichen mit der Liebe zu den anderen Völkern mit folgendem Beispiel: Ein Glasperlenhändler bot auch einige echte Perlen zum Verkauf. Die Glasperlen breitete er auf dem Verkaufstisch aus und packte sie bei Geschäftsschluss ungezählt wieder zusammen. Anders handelte er mit den echten Perlen, die er hütete und bewachte, und beim Aus- und Einpacken genau zählte. Das Volk Israel wird in dem Midrasch mit echten Perlen verglichen. Wegen seiner Wichtigkeit und aus Liebe zu ihm zählt G“tt es immer wieder.

„Maisse“ der Woche

Ein Bauer bearbeitete einmal sein Feld und warf die Steine, die sein Getreide am Wachstum hinderten, auf den Weg neben seinem Feld. Er war nämlich zu faul, sich die Arbeit zu machen, sie säuberlich aufzuhäufen.

Viele Leute mussten diesen Weg täglich benutzen und empfanden die Steine als sehr störend. Aber das war dem Bauern völlig gleichgültig, denn er dachte nur an seine Bequemlichkeit.

Ein frommer Mann kam auf diesem Weg daher und sah, was der Bauer tat. Es störte ihn, dass jemand so rücksichtslos sein konnte. Er rief ihm zu: „Du törichter Mensch! Was machst du denn? Warum entfernst du die Steine von einem Platz, der dir nicht gehört und wirfst sie auf einen Platz, der dein ist?“ Der Bauer brach in lautes Gelächter aus. „Was redest du für Unsinn?“, sagte er. „Im Gegenteil! Von meinem Feld werfe ich die Steine auf die Straße, die nicht mein ist.“ Der fromme Mann schüttelte daraufhin nur bekümmert den Kopf über den Unverstand des Bauern und zog weiter seines Weges. Der Bauer fuhr fort, Steine auf die Straße zu werfen und lachte über die Worte des Fremden.

Nach einiger Zeit verarmte der Bauer und musste sein Feld verkaufen. Er musste als einfacher Arbeiter bei anderen sein Brot verdienen. Eines Abends kehrte er müde von der Arbeit heim und träumte von der schönen Zeit, als er noch ein eigenes Feld besessen hatte, als er plötzlich über einen Steinhaufen stolperte und niederfiel. Mühselig raffte er sich auf und sah sich um: er sah den Weg neben dem Feld, das einst ihm gehört hatte. Es waren dieselben Steine, die er auf den Weg geworfen hatte, als er sein Feld entsteint hatte!

„Ach!“, rief der Mann jetzt aus, „wie recht hatte doch der Mann, der damals hier vorbeikam! Er war ein weiser Mann. Das Feld, von dem ich die Steine hinauswarf, war nicht mein. Aber der Weg, auf den ich sie geworfen habe, ist mein: er gehört mir wie allen anderen, die darauf gehen müssen. Vom Ort, der mir nicht gehört, habe ich Steine geworfen auf den Ort, der mir gehört. Mir selbst habe ich meine Schmerzen zu verdanken!“

Jetzt endlich verstand er die Worte des frommen Mannes.

„Konzept“ der Woche

Um das Leben in der Wüste zu organisieren, werden den zwölf Stämmen um den Mischkan Plätze zugewiesen, wo sie sich nach jedem Aufbruch in der Wüste niederlassen sollen. Jeder Stamm bekommt eine eigene Flagge. Auch die Aufgaben im Mischkan werden verteilt. Die Erstgeborenen, die bisher die Arbeit im Tempel verrichtet hatten, werden durch die Priester und die Leviten ersetzt. Der Austausch der Erstgeborenen wird ausführlich beschrieben. Was soll uns dieser Austausch lehren? Ist er für unser Leben heutzutage von irgendwelcher Bedeutung?

Seit jeher hat man diskutiert, was das Beste für eine Gesellschaft ist. Ist es Anarchie, Demokratie oder Sozialismus? Auch im Judentum kam diese Frage immer wieder auf und wir sehen oft, dass es nötig war, einen König zu haben. Unsere Priester, die Kohanim, werden durch Geburt für diese Aufgabe ausgewählt und auch ein Rabbiner wird nicht durch demokratische Wahlen bestimmt. Es sieht daher so aus, als ob die höchsten Ämter nur durch Bestimmung erreicht werden können.

Wir wollen eine Lehre aus der Beschreibung in unserer Parascha ziehen. Zuerst wurde die Arbeit im Tempel den Erstgeborenen gegeben. Es ist unmöglich, den Status des Erstgeborenen zu erreichen, wenn man nicht als Erster geboren wird. Nun hat sich etwas geändert: die Juden haben beim Goldenen Kalb gesündigt, aber die Leviten haben sich stark gezeigt und an ihrem Glauben festgehalten. Daher wurden sie für die Arbeit im Mischkan auserkoren. Wir sehen also einen Widerspruch, da es einerseits klare Bedingungen gibt, wer auf dieser hohen Stufe sein darf und die Ehre bekommt, aber sich anderseits die Bedingungen ändern können. Wie ist das geschehen?

Der Grund für den Verlust des Privilegs der Erstgeborenen war ihre Sünde. Sie hatten es nicht geschafft, ein Vorbild zu bleiben und mussten daher zurücktreten. Genau so wird festgelegt, wie man etwa erreichen kann: sein Leben in die Hand zu nehmen und es zu meistern, legt fest, wer etwas machen kann und darf.

Der Ramban schreibt, dass die Leviten nicht die Arbeit im Tempel verrichten mussten, sondern auch ein Beispiel für die Nation abgeben sollten. Sie sollten die Lehrer und Erzieher des Volkes sein. Daraus folgt, sagt der Ramban, dass diese Arbeit nicht nur von Leviten getan werden kann, sondern sich jeder entscheiden kann, sich der Tora zu widmen und er so die Stufe eines Leviten erreichen kann.

Dies will uns der Austausch der Erstgeborenen durch die Leviten lehren. Es gibt sicher viele Regeln, wer welchen Status erlangen kann, doch zählt letztendlich die Arbeit des Menschen um festzulegen, was er wirklich erreichen kann.

Mit freundlicher Unterstützung von HaMakor.de und Rabinner Aron Orzel