Paraschat Wajeschew

Die Parascha in Kürze
  • Josefs Träume verärgern seine Brüder
  • Jakow schickt Josef, um seine zehn älteren Brüder zu besuchen
  • Seine Brüder planen ihn zu töten, werfen ihn in eine Grube und verkaufen ihn letztendlich als Sklaven nach Ägypten
  • Die Brüder lassen ihren Vater Jakow glauben, Josef sei von einem Tier zerrissen worden
  • Die Episode von Jehuda und Tamar, ihre menschliche Größe und die Geburt von Serah und Perez
  • Josef, am Hof Potifars zum Verwalter aufgestiegen, wird Opfer einer Intrige durch Potifars Frau und landet im Gefängnis
  • Die Träume des Bäckers und des Mundschenken des Pharaos im Gefängnis, deren Deutung durch Josef und deren Erfüllung
  • Der Mundschenk verspricht Josef, ihn beim Pharao zu erwähnen, vergisst es jedoch

„Dwar“ der Woche

Jehuda hatte sein Versprechen nicht eingehalten, seine Schwiegertochter Tamar mit seinem jüngsten Sohn zu verheiraten. Verkleidet als Prostituierte begegnete sie Jehuda, der sie nicht erkannte und ihr für ihre Dienste persönliche Pfänder wie seinen Siegelring und seinen Stab gab. Als Tamar sichtlich schwanger war, verlangte Jehuda die Todesstrafe über sie zu verhängen. Sie sandte ihm die Pfänder mit den Worten: „Vom Eigentümer dieser Dinge bin ich schwanger". Jehuda erkannte ihre Größe und gab sofort zu, der Vater zu sein. Rabbiner Elya Meir Bloch schreibt, dass es einen enormen Unterschied zwischen einer Führungsper-sönlichkeit von heute und dem damaligen Herrscher des jüdischen Volkes gibt. Heutzutage basiert Führung auf Mehrheitsentscheidungen und nicht notwendigerweise darauf, was für das Volk richtig wäre. Von einem jüdischen König wird zuerst gefordert, dass er sich selbst unter Kontrolle hat. Nur jemand, der über Selbstbeherrschung verfügt, kann auch über andere herrschen.

Jehudas Eingeständnis zeigt seine unglaubliche Selbstbeherrschung. Es wäre ein leichtes für ihn gewesen, nicht zuzugeben, dass Tamar durch ihn schwanger geworden ist, und sich so nicht Demüti-gung und Spott auszusetzen. Aber er wählte den richtigen Weg und war bereit die Konsequenzen zu tragen. Er besaß die Stärke und das moralische Rückgrat, die einen würdigen jüdischen Führer ausmachen.

„Midrasch“ der Woche

Rav Zvi Pessach Frank, Jahrzeit 21. Kislew

Vor genau 50 Jahren, starb in Jeruschalajim Rav Zvi Pessach Frank. Geboren in Kowno (Litauen) im Jah-re 1873, lernte er Tora in den Jeschiwot von Slobodka und Tels und emigrierte 1893 in das damalige ottomanische Palästina. Seine Eltern folgten ihm kurze Zeit später nach und gehörten zu den Gründern von Chadera. Er selbst lernte weiter in Jeruschalajim und für eine gewisse Zeit auch in Jaffa, wo sich eine tiefe Freundschaft zu Rav Awraham Jitzchak Hakohen Kook entwickelte.

1907 wurde er in das Beth Din der aschkenasischen Frommen berufen, dem er von 1918 an vierzig Jahre lang vorstand, auch nach der Gründung des Oberrabbinates des Staates Israel. Rav Frank war zu seiner Zeit eine umfassende Tora-Persönlichkeit. Er wurde bei aufkommenden Problemen um Rat und Entscheidung angegangen und war in allen jüdischen Kreisen akzeptiert. Zu erwähnen sind u.a. seine Entscheidungen während des Unabhängigkeitskrieges über die Möglichkeiten der Schabbat-Arbeit oder die Erleichterungen an Pessach während der damaligen Hungersnot. Aktuelle Themen behandelten die Entweihung des Schabbats, die Stellung des Rabbinats und der Gerichte, die Entweihung von Gräbern durch die ar-chäologische Forschung, die Rekrutierung von Frauen zur Armee, Fragen der Erziehung und so weiter. Schon früh beschäftigte er sich mit allen Fragen, die sich durch die Kultivierung des Bodens durch Juden (Teruma, Schemita) stellten. Sein schriftliches Werk wird größtenteils unter dem Namen „Har Zvi" zusammengefasst, darunter fin-den wir Responsen, Erklärungen und Anmerkungen zum Talmud, zum Schulchan Aruch, zum Rambam und anderes mehr.

„Konzept“ der Woche

Josef wird durch Potifars Frau einer großen Prüfung unterzogen. Tagein, tagaus versucht sie, ihn zu verführen und damit zur Sünde zu verleiten. Es war nicht leicht für Josef, sich ihr zu entziehen, denn er war ja allein in Ägypten und hatte nicht seine Familie hinter sich. Der Midrasch beschreibt ausführlich, welche Versuche Potafars Frau unternommen hat, so dass wir uns ein Bild von der großen Herausforderung für Josef machen können. Josef besteht diese Prüfung, aber die Umstände ergeben, dass er dafür ins Gefängnis ge-worfen wird.
Man wundert sich, warum Potifars Frau alles erdenklich Mögliche getan hat, ihr Ziel zu erreichen und nicht einsehen wollte, dass es ihr nicht gelingen würde, Josef so nahe zu kommen. Warum hat sie nicht aufgegeben? Unsere Weisen werfen Licht auf die Hintergründe. Sie wusste nämlich, dass Josef von ihr Nachkommen haben wird, aber sie wusste nicht, wie und durch wen es geschehen würde (es sollte ihre Tochter sein, die Josefs Frau wurde). Sie hatte nur das Ziel vor Augen und daher unablässig versucht, Josef zu überreden.
Wir finden eine ähnliche Geschichte in unserer Parascha über Jehudas Schwiegertochter Tamar. Jehuda hatte ihr versprochen, ihr seinen jüngsten Sohn zum Mann zu geben, aber es kam nicht dazu. Sie gab nicht auf, in Jehudas Familie einzuheiraten und brachte Jehuda selbst dazu, sie zu ehelichen. Aus dieser Verbindung ging ein Sohn hervor, der ein Ahn von König David werden sollte und damit auch des Moschiach.
Der Midrasch vergleicht die Geschichten und sagt uns, dass beide Frauen in bester Absicht gehandelt hätten. Beide wollten ihr Ziel erreichen, zu Stammmüttern großer Männer zu werden. Aber warum konnte Tamar ihr Ziel erreichen und damit würde sogar der Moschiach von ihr abstammen, während Potifars Frau gescheitert ist?
Jeder Mensch hat ein unglaubliches Potential und so viel Kraft, die ihn sein maximales Potential erreichen lässt. Wenn ein Mensch diesen Punkt in seinem Inneren gefunden hat, ist es der nächste Schritt, ihn in die Tat umzusetzen. Dazu braucht er viel Stärke und großen Einsatz. Aber das Wichtigste ist es, den richtigen Weg zum Ziel festzulegen. Potifars Frau hatte einzig das Ziel vor Augen, Nachkommen von Josef zu bekommen, wofür ihr alle Mittel recht waren. Sie dachte nicht darüber nach, ob sie in der Durchführung ihrer Pläne anderen Menschen zu nahe treten würde und sie verletzen könnte. Sie hatte den falschen Weg beschritten.
Bei Tamar hingegen sehen wir, dass sie von Jehuda schwanger wird und deswegen als unverheiratete Frau von der Todesstrafe bedroht wird. Aber sie ist eher bereit zu sterben, als ihren Schwiegervater öffentlich zu beschämen. Wieso tat sie das, wenn sie doch eine klare Vision von ihrem Ziel hatte, Stammmutter des Königshauses zu werden? Sie wusste jedoch, dass sie ihr Ziel nicht auf Kosten anderer erreichen konnte.
Jeder Mensch, der sein Ziel klar vor Augen hat, muss sich immer im Klaren sein, welchen Weg er dazu beschreiten will. Er darf die menschliche und ethische Seite nicht außer Acht lassen. Es ist wunderbar, zielstrebig zu sein, aber der Weg zum Ziel ist ein sehr wichtiger Teil davon.

Mit freundlicher Unterstützung von HaMakor.de und Rabinner Aron Orzel